Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LPT |
Eingereicht: | 25.02.2019, 13:07 |
Für eine GRÜNE Polizeipolitik
Beschlusstext
Debatten zur inneren Sicherheit werden im Land und Bund oft emotional geführt.
Während viele Parteien nach schärferen Sicherheitsgesetzen rufen, sind in den
letzten Jahren viele hunderttausend Menschen zur Verteidigung von
Bürger*innenrechten und Freiheit auf die Straße gegangen. Wir Grüne stehen für
eine vernünftige Sicherheitspolitik, die auf Ausgleich, Fakten und die
Verteidigung unseres freiheitlichen Rechtsstaates setzt. Diese Kriterien sind
für unsere Sicherheitspolitik entscheidend.
Bürgerpolizei beibehalten
Wir Grüne wollen Sicherheit mit Augenmaß und keinen Abbau von unseren
Freiheitsrechten, in Schleswig-Holstein genauso wie im Bund. Bisher wurden in
Schleswig-Holstein sämtliche Gefahrenlagen auf der Grundlage der bestehenden
Gesetze bewältigt. Änderungen am bisherigen Recht der Gefahrenabwehr wollen wir
daher nur, wenn sie nachweisbar erforderlich sind für ein Mehr an Sicherheit und
sich eindeutig auf dem Boden des Grundgesetzes und der Rechtsstaatlichkeit
bewegen.
Statt auf Gesetzesverschärfungen zu setzen ist eine gut ausgestattete und
bürgernahe Polizei der Schlüssel einer guten Sicherheitspolitik. Deshalb haben
wir schleswig-holsteinischen Grünen als Regierungspartei im Land über 500 neue
Stellen für unsere Landespolizei beschlossen und mehr Mittel für eine bessere
Schutzausstattung investiert.
Am Konzept einer starken Bürgerpolizei für Schleswig-Holstein wollen wir
festhalten! Eine starke Schutzausrüstung ist notwendig, um unsere Polizist*innen
auf der Straße wirksam vor Verletzungen zu schützen. Eine militärähnliche
Aufrüstung in den Waffen und zahlreiche anlasslose Eingriffsbefugnisse lehnen
wir hingegen auch weiterhin klar ab.
Prävention als Leitgedanke
Grüne Politik hat in Schleswig-Holstein erfolgreich eine Kennzeichnungspflicht
der Polizei sowie eine Beschwerdestelle für die Polizei umgesetzt. Auf diesen
Erfolgen wollen wir weiter aufbauen. An unserem Ziel einer bürgernahen, gut
ausgebildeten und ausgestatteten Polizei, die auf Grundlage klarer rechtlicher
Vorgaben arbeitet, halten wir auch weiterhin fest.
Leitgedanke einer bürgernahen und zivilen Sicherheitsarchitektur und guten
Polizeiarbeit ist die Prävention. Es bleibt dabei: Prävention ist die beste
Gefahrenabwehr. Sie ist nicht alleinige Aufgabe der Polizei. Wie bei den
Kriminalpräventiven Räten liegt die größte Wirkmacht der Prävention darin, wenn
lokale und vor Ort vernetzte Institutionen wie z.B. Schule, Polizei,
Stadtplanung, Jugendämter und Justiz gut zusammenarbeiten. Deshalb haben wir im
Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die bestehenden Kriminalpräventiven Räte
im Land ausbauen und vor Ort verlässliche Strukturen der Zusammenarbeit in Form
von „Bündnissen für Sicherheit“ etablieren. Wir wollen die Arbeit der Polizei
vor Ort und der kommunalen Behörden und Ämter gerade im Bereich der Prävention
in abgestimmte Handlungskonzepte zusammenführen und dabei auch die Belange der
Bevölkerung stärker berücksichtigen. Neben der jährlichen Präsentation der
Polizeilichen Kriminalstatistik wollen wir aussagekräftigere Sicherheitsberichte
mit regionalem Bezug einführen.
Polizeigesetz ändern, wo erforderlich
Das Polizeigesetz in Schleswig-Holstein wollen wir da ändern, wo es erforderlich
ist. Wir ändern Gesetze nicht nach Gutdünken und wollen den Menschen keinen Sand
in die Augen streuen. Schärfere Gesetze bedeuten nicht automatisch mehr
Sicherheit, im Gegenteil: Immer neue Befugnisse und Eingriffsnormen können
durchaus auch eine sicherheitspolitisch kontraproduktive, weil
kapazitätsbindende Wirkung haben. Zuletzt war beispielsweise die Strafe bei
Körperverletzungen gegen Polizeibeamt*innen deutlich verschärft worden. Ersten
Zahlen zufolge hat dies keine Auswirkungen auf die Anzahl der Übergriffe auf
Polizist*innen. Auch der sicherheitspolitische Mehrwert anlassloser
Massenüberwachungen durch verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherungen konnte
trotz einer jahrelangen Diskussion nie nachgewiesen werden, die hohe Intensität
des Grundrechtseingriffs hingegen ist unbestritten. Wir wehren uns auch
weiterhin daher gegen jedwede Verschärfungen auf Kosten von Grund- und
Freiheitsrechten, deren Nutzen nicht klar nachgewiesen ist. Das gilt auch für
das Gefahrenabwehrrecht. Bayern und andere Bundesländer, in denen aktuell
Polizeigesetze beklagt werden, sind für Schleswig-Holstein kein Vorbild. Solche
Polizeigesetze sind mit uns Grünen nicht zu machen.
Nachrichtendienste, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auseinander halten
Wir Grünen setzen uns für die Aufrechterhaltung der Trennung zwischen der
nachrichtendienstlichen Gefahrenerkennung im Vorfeld konkreter Gefahren, der
polizeilichen Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung ein. Die klare Trennung von
Polizei und Nachrichtendiensten und die Abgrenzung ihrer jeweiligen Aufgaben
sind ein fundamentaler Teil des Rechtsstaatsprinzips. Nachdem in den letzten
Jahren insbesondere in der Strafverfolgung zur Terrorabwehr die Strafbarkeit
weit ins Vorfeld verlagert wurde, lässt sich aktuell eine ähnliche Dynamik in
Verschärfungen des Gefahrenabwehrrechts in den Ländern beobachten. Dem werden
wir als Grüne in Schleswig-Holstein auch weiterhin eine Innen- und
Sicherheitspolitik entgegensetzen, die sich an realen Gefahrenlagen orientiert,
ihnen konkret begegnet und dabei Freiheitsrechte achtet.
Eine Ausweitung des Gefahrenbegriffes und die Herabsetzung von
Eingriffsschwellen für zum Teil tiefgreifende Grundrechtseingriffe lehnen wir
ab. Auch im Gefahrenabwehrrecht gilt ein strenger Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
- auch für die legislative Erforderlichkeit. Immer mehr Befugnisse im
präventiven Bereich lehnen wir ab, wenn Polizei ohne konkreten Verdacht
Maßnahmen gegen Jede*n und Alles ergreifen kann.
Evaluation für Sicherheitsgesetze
Der Schutz der Bürger*innenrechte fordert nicht nur eine belastbare
Erforderlichkeitsprüfung vor dem Tätigwerden des Gesetzgebers, sondern auch,
dass Sicherheitsgesetze einer Evaluationsfrist unterliegen. Dazu sollten
Sicherheitsgesetze wissenschaftlich evaluiert und in der Regel zeitlich
befristet werden. Der Gesetzgeber sollte immer wieder aktiv überprüfen,
inwieweit Bürger*innenrechte gewahrt bleiben. Wir werden vor einer weiteren
Verschärfung der Sicherheitsgesetze in Schleswig-Holstein daher auch überprüfen,
inwieweit bestehende Regelungen Bürger*innen über Gebühr belasten ohne
gleichzeitig die Sicherheit deutlich zu verbessern.
Keine Massenüberwachung
Sogenannte „Staatstrojaner“ sind nicht nur verfassungsrechtlich weiterhin hoch
umstritten, sie gefährden darüber hinaus die IT-Sicherheit in unserem Land. Wir
lehnen die bisherige Praxis, Sicherheitslücken für Staatstrojaner bewusst offen
zu halten und staatlicherseits mit ihnen zu handeln, daher kategorisch ab und
setzen uns auch weiterhin für klare Rechtsgrundlagen, eine Überprüfung des
Quellcodes hinsichtlich der Verfassungskonformität und die Erhöhung der
Eingriffsschwellen ab. So lang all diese verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten
nicht umgesetzt werden, lehnen wir den Einsatz von Staatstrojanern weiterhin
deutlich ab.
Auch die sogenannte „Online-Durchsuchung“ ermöglicht eine sehr umfassende
Überwachung ohne dass die Wahrung des Kernbereichsschutzes ausreichend
überprüfbar ist. Auch hier stellen sich sehr tiefgehende verfassungsrechtliche
Bedenken, die bis heute nicht ausgeräumt wurden. Die Befürworter dieser
Maßnahmen erinnern wir an ihre Pflicht, die Verfassungskonformität nachzuweisen.
In der Abwägung der Möglichkeiten für eine effektive Polizeiarbeit und dem damit
verbundenen massiven Grundrechtseingriff lehnen wir die Online-Durchsuchung auch
weiterhin ab.
Bereits heute liegen in polizeilichen Datenbanken eine Vielzahl von
Informationen ohne klare Erforderlichkeit und ohne das Wissen der Betroffenen.
Das kann für die Betroffenen sehr konkrete, negative Folgen haben. Dies hat
nicht zuletzt der Fall von Journalisten, die am Rande des G-20 Gipfels in
Hamburg an der Berichterstattung behindert wurden, noch einmal gezeigt. Hier
bleiben Bundesregierung und Länder in der Pflicht, die Rechtmäßigkeit dieser
Datenbanken, die unter anderem von den zuständigen Aufsichtsbehörden wiederholt
negiert wurde, umgehend sicherzustellen. Wir fordern daher, eine strikte, an
rechtlichen Vorgaben orientierte Begrenzung der gesammelten Daten, insbesondere
wenn diese eine stigmatisierende Wirkung haben. Auch für die weitere
Digitalisierung der Polizeiarbeit fordern wir die Grundsätze von Datenschutz,
Verhältnismäßigkeit und Datensparsamkeit sowie Datensicherheit unbedingt
aufrecht zu halten!